BGH 27.09.2007 · IX ZB 172/06 · NZI 2008/98
„Erhebt der InsVw nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit Klage, ist die Frage nach der Bedürftigkeit der Masse unter Einbeziehung der Altmasseverbindlichkeiten zu beantworten.“
a. d. G. S.99: „Können die Kosten eines von dem InsVw geplanten Aktivprozesses nichts aus der verwalteten Vermögensmasse aufgebracht werden (§ 116 I 1 Nr. 1 Halbs. 1 ZPO), kommt es drauf an, ob den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich beteiligten Gläubigern zuzumuten ist, die Prozesskosten aufzubringen (vgl. § 116 I 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO). Dies ist anhand einer wertenden Abwägung aller Gesamtumstände des Einzelfalls zu prüfen. Hierbei sind insbesondere die im Falle des Obsiegens zu erwartende Quotenverbesserung, das Prozess- und Vollstreckungsrisiko und die Gläubigerstruktur zu berücksichtigen (GBH, NJW-RR 2006, 1064 = NZI 2006, 348 =ZIP 2006, 682 [683]. Da sich die Altmassegläubiger – weil vorrangig die Neumassegläubiger bedient werden – von einem Prozesserfolg nichts oder nur wenig versprechen können, ist ihnen (falls man sie als „wirtschaftlich Beteiligte“ ansieht) jedenfalls nicht zuzumuten, die Prozesskosten aufzubringen. Dann kann es auch nicht richtig sein, ihnen das Prozesskostenrisiko zu überbürden, indem ihre Forderungen bei der Prüfung der Bedürftigkeit (§ 116 Nr. 1 Halbs. 1 ZPO) außer Betracht gelassen werden.…
Trifft der Verwalter nach Anzeige der Masseinsuffizienz eine Verwertungsentscheidung, muss er prüfen, ob die Insolvenzmasse – nach Abzug, der vorrangig zu bedienenden Kosten (§209 I Nr. 1 InsO), jedoch ohne Berücksichtigung der Altmasseverbindlichkeiten (§ 209 I Nr. 3 InsO) – zur Befriedigung der aus der Entscheidung resultierenden Verbindlichkeiten voraussichtlich ausreichen wird (§ 61 InsO). Für den Verwalter hat also maßgeblich zu sein, ob sich die Entscheidung nach gewissenhafter Prüfung wirtschaftlich „rechnen“ wird. Muss er diese Frage verneinen, hat er von der ins Auge gefassten Verwertungsmaßnahme Abstand zu nehmen.
Hat sich der Verwalter in derselben Lage zu entscheiden, ob er eine aussichtsreiche Klage erhebt, ist er dieser Prüfung enthoben. Wenn die Masse zur Deckung der Prozesskosten ausreicht, wird er den Prozess führen. Reicht die Masse nicht aus, wird er den Prozess – unter Inanspruchnahme von PKH – ebenfalls führen.“
- Frind EWiR 2008/95 (kritisch)